D ie Stadtwerke Norderstedt sind mit engagierten Maßnahmen und Projekten auf einem vorbildlichen Weg zur Dekarbonisierung ihrer Energie- und Wärme-Konzepte. Ein aktuelles Projekt betrifft das Rechenzentrum, das die Stadtwerke Norderstedt an ihrem Hauptstandort betreiben und dessen Kapazitäten in der Hauptsache fremdvermietet sind. Hier wurden die bisher zur Kühlung der Server verwendeten Kältemaschinen durch Wärmepumpen erweitert, die künftig einen wertvollen Input in das bestehende Fernwärmenetz Norderstedt leisten.
Ein weiteres Projekt in Norderstedt unterstreicht die Kompetenz und die smarten Lösungen, mit denen Kraftanlagen die Stadtwerke Norderstedt bei der lokalen Energiewende begleitet. Am Hauptstandort der Stadtwerke steht unter anderem ein Erdgas-Blockheizkraftwerk (BHKW) sowie ein leistungsfähiges Rechenzentrum.
Server mit großer Leistung produzieren sehr viel Wärme. Um eine Überhitzung der sensiblen IT-Anlagen zu verhindern, waren im Rechenzentrum bislang drei Kältemaschinen im Einsatz, die ihrerseits eine Menge Strom verbrauchten, um die gewünschte Kälteleistung zu erzeugen. Denn durch die Vermietung der Rechenleistung an Unternehmen musste das Ausfallrisiko soweit wie möglich ausgeschlossen werden. Diese Kältemaschinen wurden nun durch Wärmpumpen erweitert.
Wärmepumpen sorgen ab sofort für die notwendige Kühlung
Die Wärmepumpen nutzen die Wärmeentwicklung durch den Serverbetrieb, in dem sie diese Wärmeenergie als Quelle nutzen, um sie dann unter Zuführung von elektrischer Energie auf einem höheren Temperaturniveau zur Verfügung stellen zu können. Diese Energie wird dann direkt ins Norderstedter Fernwärmenetz eingespeist. Dabei entsteht eine „Kälteleistung“ von 900 kW, die ausreicht, um die Server auf einer ausreichend kühlen Betriebstemperatur zu halten. Der Effekt ist demnach ein doppelter: Die durch die Server abgegebene Wärmemenge wurde bisher ungenutzt rückgekühlt, indem sie mittels Rückkühlwerke (oder Tischkühler auf dem Gebäudedach) an die Atmosphäre abgegeben wurde.
Diese wird nun in das Norderstedter Fernwärmenetz eingespeist. So wurde ein weiterer wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung des Norderstedter Energie-Konzeptes installiert.
Felix Reiser, Technischer Berater u. Teamleitung Wärmenetze und Kundenanlagen der Stadtwerke Norderstedt, und Robert Roß, Projektleiter und Energiemanager der Stadtwerke Norderstedt, im Wärmepumpenraum des Rechenzentrums der Stadtwerke Norderstedt
© Cyril Abad
Zusatznutzen der Wärmepumpen: Lärmschutz wird auf absehbare Zeit notwendig
Der Austausch des Kühlsystems gegen Wärmepumpen ist noch in einer weiteren Hinsicht äußerst weitsichtig. Angrenzend an das Headquarter der Norderstedter Stadtwerke ist inzwischen ein modernes Wohngebiet Teil des dortigen Bebauungsplanes. Die Bauarbeiten für diesen neuen Stadtteil sind längst im Gange. Dies hat zur Folge, dass spätestens nach Fertigstellung der Bauarbeiten andere Lärmschutz-Grenzwerte Gültigkeit erhalten. Beim vorherigen Rückkühlkonzept im Rechenzentrum wären die strengeren Lärmschutz-Grenzwerte schwer einzuhalten gewesen. Denn für die Kühlung waren bislang auf dem Dach des Rechenzentrums mehrere Rückkühlwerke installiert. Diese Tischkühler werden meist auf Gebäude-Dächern installiert, um eine kontrollierte Abgabe von Wärme an die Umgebung sicherzustellen. Bei einer Schallimmissionsmessung hatte sich im Vorfeld ergeben, dass die installierte Anlage auf dem Dach in Puncto Lärmschutz weit über den künftigen Grenzwerten lag, die für Anlagen in der Nähe von Wohngebieten vorgesehen sind.
Somit ergibt sich ein weiterer doppelter Nutzen durch die Installation der Wärmepumpen: Denn es ist nun obsolet, die Tischkühler durch eine geräuschärmere Anlage zu ersetzen oder diese so zu umzurüsten, dass sie geltenden Lärmschutz-Grenzwerten entsprechen.
Durch die Einspeisung der Wärme in das Fernwärmenetz wird die bisherige Wärmeerzeugung mit fossilen Brennstoffen aus BHKW- und Kesselanlagen verringert. Geht man perspektivisch von einer regenerativen Stromerzeugung in der näheren Zukunft aus, kann dies zu einer absolut CO2-neutralen Kühlung des Rechenzentrums führen, bei der zusätzliche Wärmeenergie für die Einspeisung in das örtliche Fernwärmenetz entsteht.
Die technischen Details des Wärmepumpen-Projektes
- Das Fernwärmenetz „West“ liefert jährlich etwa 70 GWh Wärme an Kunden der Stadtwerke Norderstedt.
- Rund 80% dieser Wärme wird derzeit durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt, der Rest stammt aus effizienten Erdgas-Heizkesseln.
- Eine Wärmepumpe könnte jährlich 10-12 GWh Wärme erzeugen und soll die herkömmliche Wärmeerzeugung durch Erdgas und KWK-Anlagen ersetzen.
- Dadurch wird der Anteil der durch Erdgas erzeugten Wärme reduziert und das Fernwärmenetz erhält eine konstante Abwärmequelle aus dem Rechenzentrum, die bis zu 15 Prozent des Netzanteils ausmachen kann.
Wie wurde die Installation der zwei Wärmepumpen realisiert?
- Die neue Energiezentrale wurde in der Tiefgarage der Stadtwerke Norderstedt installiert.
- Das Planungsbüro FC-Planung GmbH war für die Planung der technischen Ausrüstung verantwortlich und hat Lösungen für die Einbindung der Wärmepumpe(n) in das Fernwärmenetz und die Kälteversorgung des Rechenzentrums entwickelt.
- Bei der Einspeisung der Wärme in das Fernwärmenetz wird die Steuerung durch die Netzleitwarte der Stadtwerke Norderstedt übernommen. Die Anbindung an die Kälteerzeugung des Rechenzentrums erfolgt in Abstimmung mit den zuständigen Stellen der Stadtwerke Norderstedt und der Betriebsleitung des Rechenzentrums.
Permanente Datenerfassung und -auswertung und schnelle Amortisation
Die Stadtwerke Norderstedt betreiben ein zertifiziertes Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001:2018. Bei der Planung und Umsetzung achten sie darauf, ein umfassendes intelligentes Messkonzept zu erstellen und einzuhalten. Dieses Konzept ermöglicht es, mithilfe von Zählerdaten energetische Bewertungen und Kennzahlen zu erstellen, die die Effizienz und den geleisteten Beitrag zum Klimaschutz darstellen.
Für das Jahr 2024 wird erwartet, dass 10-12 GWh Wärme in das Fernwärmenetz eingespeist wird. Berechnungen zur Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutzwirkung basierend auf den aktuellen Fortschritten und Erkenntnissen des Projekts zeigen, dass dadurch jährlich 2.800 Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden können. Die Betriebskostenprognosen, die die Verdrängung der fossilen Erzeugung, den bisherigen Stromaufwand, den Strombedarf der Wärmepumpen sowie steigende CO2-Abgaben und Energiepreise berücksichtigen, versprechen jährlich bemerkenswerte positive Ergebnisse und eine schnelle Amortisation der Maßnahme.
Robert Roß, Projektleiter und Energiemanager der Stadtwerke Norderstedt, und Felix Reiser, Technischer Berater u. Teamleitung Wärmenetze und Kundenanlagen der Stadtwerke Norderstedt, im Wärmepumpenraum des Rechenzentrums der Stadtwerke Norderstedt
© Cyril Abad
Vorteile von Wärmepumpen im Energiekonzept von Rechenzentren
Übertragbarkeit dieses Konzepts auf andere Kommunen und Stadtwerke und deren Rechenzentren
In Deutschland gibt es zahlreiche Rechenzentren, die Abwärme erzeugen. Im Februar waren es bundesweit 522, damit stehen in Deutschland deutlich mehr Rechenzentrum als in allen anderen europäischen Ländern. Diese Abwärme könnte in vielen Fällen sinnvoll genutzt werden. Die zuverlässige Bereitstellung von Kühlung ist in zertifizierten Rechenzentren von großer Bedeutung und sollte in Zusammenarbeit mit Kommunen und Energieversorgern gelöst werden, um nachhaltige und klimafreundliche Synergien zu schaffen.
Moderne Rechenzentren, wie sie beispielsweise in Skandinavien bereits existieren oder geplant werden, stehen vor der Herausforderung, den steigenden Anforderungen ihrer Nutzer gerecht zu werden. Dies führt zu einem erhöhten Bedarf an Strom und Kühlung. Daher werden mögliche Synergien und energetische Verbundlösungen bereits in der Planungsphase intensiv geprüft. Umgesetzte oder in der Umsetzung befindliche Maßnahmen tragen zur Weiterentwicklung des Know-hows und des aktuellen technischen Standards bei.
Für die Wärmewende ist es entscheidend, die fossile Wärmeerzeugung durch erneuerbare Energien oder Abwärme zu ergänzen oder zu ersetzen. Nur so können Kommunen und Länder den 1,5°C-Dekarbonisierungspfad erfolgreich beschreiten.
Robert Roß, Projektleiter und Energiemanager der Stadtwerke Norderstedt, im Wärmepumenraum des Rechenzentrums der Stadtwerke Norderstedt
© Cyril Abad
Ausblick auf eine funktionierende Wärmewende in Norderstedt und andernorts
Auch wenn der Austausch der Kältemaschinen gegen Wärmepumpen sich energetisch dadurch auszeichnet, dass durch die Wärmeeinspeisung mit Blockheizkraftwerken, die den Hauptteil der Fernwärme beisteuern, weniger Erdgas verbraucht wird, steigt nach dem Umbau der Strombedarf an. Allerdings ist es fester Bestandteil des Norderstedter Dekarbonisierungsplans, nach und nach auf 100 Prozent Strom aus regenerativen Quellen umzustellen, wodurch dann das Ziel der kompletten CO2-Neutralität immer schneller erreichbar wird.
FAZIT: Würden in Deutschland alle der derzeit über 500 Rechenzentren mit modernen Wärmepumpen-Technik gekühlt, hätte dies eine enorme Auswirkung auf die Dekarbonisierung.
Kraftanlagen: Ihr Ansprechpartner für die energetische Optimierung von Rechenzentren!